Von Accra bis Tamale

Hallo, wir melden uns mal wieder nach einer längeren Zeit. 


Vor ca. einem Monat sind wir nach Accra gefahren um unser Visum zu verlängern, was durch COVID-19 komplizierter geworden ist. Nach einigen organisatorischen Problemen befinden sich unsere Visa aber jetzt in der Bearbeitung und sind nach den Weihnachtsferien abholbereit in Accra.  

Wir waren ein paar Tage früher in Accra um die Gelegenheit zu nutzen und die Stadt kennenzulernen. 

Wir waren unteranderem am Strand und haben unsere Füße in den Atlantik gehalten. 

Ein anderes Mal haben wir das Denkmal des ersten Präsidenten Ghanas besucht. 


Dr. Kwame Nkrumah hat für Ghanas Unabhängigkeit gekämpft und sein Ziel schlussendlich erreicht. Während seiner Präsidentschaft blieb er aber nicht unumstritten und er wird teilweise ein Diktator genannt. Er ist also nicht nur ein Held der ghanaischen Unabhängigkeit, sondern auch ein durchaus umstrittener erster Präsident Ghanas, der seine Kritiker ohne Gerichtsurteil inhaftieren lies. 

Wir waren auch in der Accra Mall, die teilweise schon weihnachtlich geschmückt war (und das Anfang November) und im Accra Zoo. Der Accra Zoo liegt mitten im „Achimota Forest“, ein ziemlich großer Stadtwald und eine Oase der Ruhe in der Großstadt. 




Die Visa Beantragung haben wir mit den anderen Ghana-Freiwilligen aus Nsuta und deren Mentor zusammen gemacht. Es war sehr schön die anderen wiederzusehen und Geschichten auszutauschen. 

Direkt im Anschluss an unseren Accra Aufenthalt hatten wir ein zweiwöchiges Seminar in Tamale, eine Stadt im nördlichen Teil Ghanas, aber immer noch eine dreistündige Busfahrt südlicher von Bolgatanga. Unser Seminar war in „TICCS - Tamale Institute of Cross Cultural Studies“ und wir haben uns in den zwei Wochen mit Themen wie „Do‘s and Don’t‘s in Ghana“, Kulturschocks und Strategien für das Lernen einer lokalen Sprache beschäftigt. 

Eine Tatsache, die uns ganz besonders gefreut hat, ist das wir zwei andere Freiwillige aus Deutschland kennen gelernt haben. Rebecca und Joana machen ihren Freiwilligendienst nicht mit dem Bistum Münster, sondern mit dem Bistum Osnabrück und arbeiten in einem „kindergarden“ in Kumasi und in Damongo. 

Neben uns vier deutschen Freiwilligen haben auch noch elf SVD-Priester* teilgenommen. Das klingt jetzt erst einmal nach einem furchtbar langweiligem Seminar und zugeben manche Lektionen waren nicht ganz so interessant für uns (z. B. kulturelle Herausforderungen in der pastoralen Arbeit) und das frühe Beten vor dem Frühstück war durchaus nervig, aber wir haben uns gut mit den Priestern verstanden, zumal sie alle Ende zwanzig bis Ende dreißig Jahre alt waren. 

Wir haben viel gelernt, vor allem wie wichtig es ist die wichtigsten Floskeln in der jeweiligen lokalen Sprache zu lernen und seine europäische/deutsche Perspektive abzulegen. Uns wurde zum Beispiel eine Geschichte erzählt von einer NGO, die hier in Ghana ein Projekt hatte, bei dem es darum ging sanitäre Anlagen in Dörfern zu bauen. Das Projekt ist dann daran gescheitert, dass die gebauten Toiletten einfach von keinem genutzt wurden. Warum? Weil die Toiletten an eine europäischen Kultur angepasst waren. Die NGO hat den Fehler gemacht, unser europäisches Verständnis von Privatsphäre als Standard zu sehen und nicht darauf geachtet, ob das für die Menschen vor Ort auch so ist. Oder anders gesagt: Der Europäer ist zum scheißen gern alleine, während bei den Menschen, die die Toiletten letztendlich benutzen sollten, das Motto herrschte: „We eat it together, we drop it together“. Der Toilettengang war also keine Privatangelegenheit, wie wir es kennen, sondern eine soziale Aktivität bei der man sich unterhält. 

Das ist häufig das Problem, wenn Projekte von NGOs nicht funktionierten. Wir dürfen nicht aus einer europäischen Perspektive heraus über Entwicklungsländer urteilen. Ein ganz wichtiger Punkt in der Arbeit als Freiwillige (o.ä.) ist, dass man die andere Kultur versteht und zu respektieren lernt, bevor man irgendwas verändern möchte. 

Ein Erlebnis hat uns ganz besonders beschäftigt. Wir sind an einem Tag des Seminars nach Gushiegu gefahren in ein sogenanntes „witch camp“. Ein „witch camp“ ist ein Ort an den meistens Frauen über 60 fliehen, weil sie in ihrem Heimatdorf als Hexen beschuldigt werden und ihnen dort Körperverletzung und Mord drohen. Es gibt mehrere solcher „witch camps“ in Ghana, da Glaube an Hexerei und die Angst vor Hexen vor allem in dörflichen und ursprünglichen Umgebungen verbreitet ist. Die Frauen werden aber häufig auf Grund von persönlichem Groll angeklagt (Suche nach Sündenbock, Eifersucht...) und nicht auf Grund von Fakten. Die Camps sind häufig ihre letzte Rettung und trotzdem versucht die ghanaische Regierung diese Camps zu schließen. Die Bewohnerinnen der Camps haben große Probleme mit der Lebensmittelbeschaffung und der medizinischen Versorgung, da die meisten Frauen wie gesagt schon ziemlich alt sind. Die Camps bieten den Frauen aber die einzige Sicherheit, die sie haben. 


So das war’s erstmal mit diesem Blogeintrag. Zügig werden wir den nächsten Teil hinterher hängen. 


*SVD = Societas Verbi Divini; die Steyler Missionare sind eine Ordensgemeinschaft in der römisch-katholischen Kirche






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